21 Juli 2016

Die Unternehmenswelt kennt einen neuen Begriff, Disruption. Gastautor Dr. Mathias Petri der StoneOne AG analysiert die deutsche IT-Landschaft, zeigt warum Start-ups den traditionellen Unternehmen den Rang ablaufen und gibt Anstöße, wie man als eingesessener Betrieb dennoch die Digitalisierung bewältigen kann.

(Quelle: Mathias Petri / LinkedIn)

Dr. Mathias Petri ist seit rund 9 Jahren bei der StoneOne AG im Vorstand und als CSO tätig. (Bild: Mathias Petri)

„Das Alte sagt: So wie ich bin, bin ich seit je. Das Neue sagt: Bist du nicht gut, dann geh.“ Schon Bertold Brecht hat es im „Leben des Galilei“ auf den Punkt gebracht. Wer Veränderungen nicht rechtzeitig erkennt und mitzieht, kann schon bald zu den Verlierern gehören. „Disruption“ heißt das neue Mantra.

Und so gut wie keine „Disruption“ ohne „Digitalisierung“. Die hippen und vor allem disruptiven Eroberer heißen Airbnb, Netflix oder Uber. Alles digital basierte Geschäftsmodelle! Schon vor gut einem Jahr prophezeite die Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Wirtschaftstag des Wirtschaftsrates der CDU: „Es wird alles digitalisiert werden, was digitalisiert werden kann.“ Und es gibt wahrscheinlich wirklich bald kaum noch eine Aufgabe, für die es nicht früher oder später ein App gibt.

Die Geschäftsmodelle dynamischer Start-Up´s stellen die etablierten Unternehmen vor enorme Herausforderungen. Allein die sogenannten FinTechs wachsen wie Pilze aus dem Boden und treiben mittlerweile selbst Schwergewichte der internationalen Finanzwirtschaft vor sich her. Eines zeichnet die Newcomer besonders aus. Sie verstehen, was Kunden in der digitalen Welt wünschen und bieten dafür oft vermeintlich ganz einfache Lösungen.

Auf den ersten Blick wirken diese neuen Angebote deshalb oft auch fast trivial. Dabei steckt hinter den schlanken App´s zumeist eine anspruchsvolle Technologie. Auch bei vielen anderen App´s , von den „Lieferandos“ bis hin zum Carsharing mit DriveNow oder Car2Go, verbirgt sich hinter einem relativ simpel wirkenden User Interface – quasi unter der Motorhaube – eine komplexe Cloud-Architektur mit ausgefeilten Algorithmen.

Deutschland hat (mal wieder) Nachholbedarf

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Sie sind Firmenentscheider und wollen mehr zum Thema Digitalisierung wissen? Dann könnten Ihnen die Services der German Businesscloud weiterhelfen. (Bild: Cloud Ecosystem)

Leider zeigt sich, dass deutsche Unternehmen hinterherhinken und bei der Digitalisierung viel zu langsam sind, wie das Beratungshaus Sopra Steria und die Universität Hamburg in der gemeinsamen Studie „Digitale Exzellenz – eine Bestandsaufnahme zur Digitalisierung deutscher Unternehmen und Behörden“ feststellen. Immerhin haben etliche Unternehmen mit einzelnen Aktivitäten und Projekten den Transformationsprozess gestartet.

Neben Themen wie etwa Digital Leadership oder Customer und Partner Engagement zählt vor allem die IT-Architektur laut Studie oft zu den Schwachstellen. Die Anforderungen nach neuen digitalen Angeboten von Kunden und Partnern und sonstigen innovativen Ansätzen stoßen in vielen Unternehmen auf eine eher veraltete IT-Architektur. Digitale Angebote und die Automatisierung von Prozessen gehört ebenfalls zur digitalen Exzellenz. Das Ziel sollten demnach vollständig digitale Abläufe ohne Medienbrüche sein.

Digitale Plattformen spielen eine wichtige Rolle bei der digitalen Transformation. Innovative bzw. exzellente Unternehmen sollten Plattformen nutzen und/oder im Idealfall selbst eine solche Plattform entwickeln und betreiben.

Private Nutzer holen sich heute ganz selbstverständlich schicke App´s im App Store von Apple oder Playstore von Google. Im B2B-Markt ist das noch eher die Ausnahme, obwohl es auch hier bereits diverse Optionen gibt. Bei der deutschen Telekom sind beispielsweise bereits heute diverse Anwendungen, wie zum Beispiel eine CRM- oder ERP-Lösung einfach aus der Magenta Cloud bestell- und nutzbar.

Die „Digistahlisierer“ des Duisburger Stahlhändlers Klöckner & Co haben eine eigene Service-Plattform „Kloecker Connect“ zur Digitalisierung der gesamten Lieferkette erstellt. Und beim Ditzinger Werkzeugmaschinen- und Laserherstellers Trumpf entsteht mit AXOOM eine Plattformlösung mit maßgeschneiderte Modulen für die gesamte Wertschöpfungskette – von der Auftrags- und Ressourcenverwaltung bis hin zum Reporting.

Trotz dieser positiven Beispiele ist leider der Digitalisierungsgrad bei vielen Unternehmen doch eher mau. Vor allem Mittelständler tun sich schwer mit dem Projekt „Digitale Transformation“. Viele haben einfach Angst vor hohen Investitionskosten. Aber auch fehlendes Know-how verhindert häufig dringend notwendiges Handeln, war das Fazit des VDI-Praxistags zum Thema digitale Transformation.

Make or buy

Bei vielen Unternehmen ist eine digitale Umsetzung innovativer Geschäftsideen im eigenen Haus nicht machbar. Fehlende Ressourcen, eine randvolle Roadmap und die daraus resultierende zeitliche Verzögerung machen es unmöglich eine Lösung time-to-market selbst zu entwickeln.

Schon bei der Konzeption und Definition der digitalen Transformationsprozesse oder neuer Geschäftsideen empfiehlt es sich deshalb externe Profis ins Haus zu holen. So hat etwa Klöckner sich frühzeitig Beistand der Berliner Experten von etventure geholt. So wurde gemeinsam eine Digitalisierungsstrategie, erster Umsetzungsideen und eine Validierung ausgearbeitet. Über mehrere Schritte wurde dann das Digitalisierungsprojekt mit externer Hilfe realisiert und go-live gesetzt.

Neben der konzeptionellen Arbeit ist die technische Umsetzung ebenfalls ein kritischer Pfad. Ein Prototyp ist zwar schnell gebaut. Sobald es aber darum geht, ein stabiles System einer Vielzahl von Kunden, Lieferanten oder auch Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen, sollte man Wert auf eine stabile Architektur legen und beispielsweise daran denken, dass die schicke neue Lösung vielleicht auch mit anderen Systemen über Schnittstellen kommunizieren muss.

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Häufig verfügen Unternehmen nicht über die Ressourcen ihre IT eigenhändig zu modernisieren. (Bild: Evernine)

Die unsaubere Trennung von Mandanten bzw. Kunden, immer komplexere Workflows oder hohe Lastanforderungen können die tolle App zum Scheitern bringen, bevor der Rubel rollt. Viele innovative Serviceangebote müssen wieder eingestellt werden, weil sie die schnell gebaute Lösung überfordern.

Hier empfiehlt es sich auf professionelle Frameworks und vorgefertigte Tools, etwa die Web Service Factory von StoneOne, zu setzen, die höheren Leistungsanforderungen genügen und in der Lage sind, sich mit anderen Geschäftsanwendungen zu integrieren. Hilfreich sind außerdem Teams, die Erfahrungen mit Geschäftsprozessen und den konkreten Compliance-Anforderungen in Deutschland haben. Den anfangs billigen near- oder offshore Angeboten folgen oftmals teure Folgekosten, wenn die Lösung nicht den Anforderungen und gesetzlichen Rahmenbedingungen entspricht.


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Last but not least gehört zur digitalen Transformation auch in vielen Fällen die Modernsierung bestehender Softwarepakete. Ähnlich wie bei der Sanierung eines Hauses wird dabei die (Legacy) Software modulweise saniert. Um die Funktionsfähigkeit der Software auch während des laufenden Umbaus zu gewährleisten, müssen die verschiedenen Bausteine getrennt und mit passenden Konnektoren verbunden werden.

So lässt sich die Kommunikation von neuen und älteren Bestandteilen sicherstellen, so dass keine Ausfallzeiten oder sonstigen Störungen für das Tagesgeschäft entstehen. Dennoch kann dem Benutzer und Kunden eine moderne Customer-Experience bereitgestellt werden.

Fazit

Ohne digitalen Unterbau laufen die wenigsten disruptiven Geschäftsmodelle. Allerdings gibt es auch ohne Disruption genügend Ansatzpunkte und Möglichkeiten mit Hilfe der digitale Transformation das eigene Geschäft zu optimieren. Nicht alle können das nächste „Amazon“ werden.

Doch ohne sich den Veränderungsprozessen zu stellen und neuen Ideen zu entwickeln, laufen Unternehmen Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Die technischen Möglichkeiten sind vorhanden und weitgehend beherrschbar. Allerdings sollten die Aufgaben nicht unterschätzt werden.

Die App für den Blumenladen kann vielleicht noch die Web Agentur um die Ecke programmieren. Für etwas anspruchsvollere Projekte setzt man allerdings besser auf die richtige Methodik, ausgereifte Tools und digitale Experten. Mit professioneller externer Unterstützung lässt sich der digitale Wandel aktiv gestalten ohne das Tagesgeschäft und die eigene Organisation zu überfordern.