1972 unter dem Namen Systemanalyse Programmentwicklung gegründet, feiert SAP im April 2022 sein 50-jähriges Bestehen. Obwohl führender Anbieter von Firmensoftware, ist das Unternehmen dabei nach wie vor mit Sitz im beschaulichen Walldorf irgendwie auf dem Teppich geblieben.
Die Tagesschau überschreibt den Artikel über 50 Jahre SAP mit „Der Weltkonzern von nebenan“. Und tatsächlich hat das Unternehmen immer noch etwas von einer lokalen Größe, die es sich leisten kann, einen Fußballverein zu unterstützen. Nun, der Fußballverein heißt TSG Hoffenheim, ist seit 2008 in der 1. Bundesliga und war der Heimatclub von SAP-Mitgründer Dietmar Hoppe, der ihn als Mehrheitseigner kräftig sponsort. Und während es andere Branchenriesen längst zur nächsten großen Metropole gezogen hätte, ist SAP mit Hauptsitz im malerischen Walldorf geblieben, das mit gerade mal rund 15.500 Einwohnern immer noch den Charakter einer Kleinstadt hat.
Und fernab der großen Metropolen im Rhein-Neckar-Kreis haben Hoppe, Hans-Werner Hector, Hasso Plattner, Klaus Tschira und Claus Wellenreuther dort diesen Weltkonzern aufgebaut, der heute Inbegriff und Marktführer für Unternehmenssoftware ist. Das macht SAP natürlich auch angreifbar, so wie die Walldorfer lange Zeit Oracle auf den Fersen waren. Das US-Unternehmen hat die Führung auf dem ERP-Weltmarkt allerding schon vor 20 Jahren an SAP verloren.
Der mit 41 Jahren immer noch sehr jugendlich aussehende Christian Klein, der heute als CEO die Geschicke des Konzern mit den mehr als 107.000 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von 27,8 Milliarden Euro leitet, kommt übrigens selbst aus der Region. Dem Südwestdeutschen Rundfunk (SWR) erzählte er, wie er in seinem ersten Praktikum noch schwere Monitore aus dem Keller in den Gebäuden verteilen musste. Wie er weiter sagte, sei die Arbeit bei SAP nicht einfach nur ein Job, denn „wir verändern die Welt“.
An SAP kommt niemand vorbei
In dem Tagesschau-Artikel irgendwo eingeblendet, erscheint die Nachricht, dass SAP mit Hilfe von Universitäten zwischen 1997 und 2008 Entwicklungen von Mitbewerbern missbraucht haben soll. Oracle hat dagegen 2007 auch geklagt und Recht bekommen, wie Recherchen von ARD und Spiegel 14 Jahre später ergaben. Allerdings ist Wissenstransfer in der Branche nicht ganz unüblich und ist es oft nur eine Wurfweite entfernt, selbst einen Stein abzubekommen.
Und man sollte darüber auch die Erfolge des Walldorfer Unternehmens nicht schmälern. Heute zählt es mehr als 400.000 B2B-Kunden weltweit und ist es stolz darauf, dass die Umsätze mit ihnen 87 Prozent des globalen SAP-Handelsvolumen ausmachen. Die Marktmacht des Unternehmens ist enorm, wie tagesspiegel.de auch Mirko Maier, einen Analysten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), zitiert: „An SAP kommt jemand, der in der IT in einem Industrieunternehmen arbeitet, gar nicht herum. Jeder arbeitet irgendwie mit SAP“, sagt Maier da etwas verklausuliert. Mit den einzelnen Softwarekomponenten ließe sich ein ganzes Unternehmen steuern, „vom Einkauf, über Controlling, Buchhaltung und Personalwesen“.
Der größte Hidden Champion
Mit seinem Geschäftsmodell individuell angepasster Betriebssoftware hat es SAP zu einem der wertvollsten Konzerne Europas geschafft. Die Marktkapitalisierung aka Börsenwert kann sich mit 120 Milliarden Euro in etwa messen mit der des US-Flugzeugherstellers Boing und der Großbank Goldman Sachs. Volkswagen, Airbus und Siemens, so die Namen anderer DAX-Schwergewichte lassen die Walldorfer weit hinter sich, so der Tagesspiegel-Bericht. Im Schein anderer Weltkonzerne verblasse SAP allerdings, weil die Walldorfer im Gegensatz zu Microsoft, Apple und Co. ausschließlich Unternehmen ansprechen und Otto-Normal-Verbraucher weitgehend unbekannt ist. Für die ist SAP maximal der größte Hidden Champion, den Deutschland hervorgebracht hat.
Derweil setzt SAP seit der Übernahme des US-Anbieters Success Factors im Jahr 2012, drei Jahre vor dem Startschuss von S/4HANA, immer mehr auf das Cloudgeschäft, das allerdings nicht etwas verbesserungswürdig ist und noch nicht den gewünschten Riesenerfolg bringt. Denn laut einer Umfrage der deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe mit rund 60.000 Mitgliedern und 3.700 Unternehmen, die ihr folgen, haben bisher nur 30 Prozent der Befragten gute Erfahrungen mit den Cloud-Anwendungen von SAP gemacht, doppelt so viele mit anderen Anbietern, wie der Tagesspiegel schreibt.
Cloudgeschäft noch verbesserungswürdig und ausbaufähig
Doch genau im Cloudgeschäft sieht SAP die große Zukunft. CEO Klein sagt dazu: „Das Cloud-Geschäft ist für SAP ein sehr großer Schritt, der auch mit der Frage zusammenhängt: Was mache ich mit meinen Bestandskunden, die die Software auf ihrem PC vor Ort einsetzen? Die Anwendungen sind den Unternehmen angepasst, quasi ein Maßanzug. Aber Cloud-Anwendungen sind Anzüge von der Stange. Jetzt müssen sie also den Maßanzug-Träger dazu kriegen, auch Anzüge von der Stange gut zu finden. Das ist zeitaufwendig und kostet Geld.“
Kritiker finden jedoch, dass der deutsche Softwarekonzern den Umstieg in die Cloud lange verschlafen habe. SAP-Betriebsrat Andreas Hahn formuliert es etwas diplomatischer und sagt: „Da haben wir Nachholbedarf, dass dort mehr investiert wird. Zum einen in Zeitkontingente, zum anderen natürlich im Budget und eben auch im Personal.“
Die Investitionen würden sich lohnen, meint LBBW-Analyst Maier, denn: „Mit dem Cloud-Geschäft, wo ich wiederkehrende Erlöse durch vermietete Software erziele, fallen negative Überraschungsmomente immer seltener aus. Die Unternehmung ist ein Stück weit planbar. Die Umsatzentwicklung ist bereits positiv. Was jetzt noch fehlt sind Effekte bei der Marge.“ Und davon könnte auch die SAP-Heimatstadt Walldorf profitieren, weil steigende Gewinne bei dem größten Zugpferd auch steigende Gewerbesteuereinnahmen bedeuten. Die liegen heute mit 160 Millionen Euro schon deutlich höher als die der großen Nachbarstadt Heidelberg, die mehr als zehnmal so viele Einwohner zählt
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