Der „Surface Hub“, Microsofts neues Collaboration Gerät, ist mehr als ein Angriff auf Konferenzsysteme von Cisco, Polycom, SMART & Co. Surface Hub verbindet Hardware, Software sowie Services und stellt so eine Dienstleistungsinnovation dar.
Kaum wurde der Surface Hub von Microsoft im Zuge einer Windows-10-Vorstellung im Januar 2015 präsentiert, schossen die Spekulationen über die Kategorisierung des Geräts ins Blaue. Für die einen handelt es sich um einen großen Monitor für (Video-)Konferenzen, Besprechungsräume und generell für die Arbeit im Team. Andere bezeichnen es als Riesentablet, als Großbild-Device oder als vollwertigen PC; als All-in-one-PC. Wiederum andere sprechen vom ersten richtigen Cloud-Device oder einer „völlig neuen Geräteklasse“, die das Potenzial zum „Market Changer“ hat.
Auch wenn es paradox erscheint, haben alle gleichzeitig recht und unrecht. Ja, Surface Hub ist ein „großes Gerät“, mit dem Konferenzen abgehalten werden können und bei dem ein Großteil der Intelligenz nicht aus dem Gerät, sondern aus der Cloud – einem Service – kommt. Es kann in Besprechungsräumen, aber auch im Küchenstudio um die Ecke, beim Zahnarzt oder am Flughafen genutzt werden. Und ja, es hat das Potenzial, Märkte – respektive Bedarfsmuster der Konsumenten – zu verändern.
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In anderen Worten: Der Surface Hub verbindet Hardware, Software und Services und stellt so eine Dienstleistungsinnovation dar, die viele bestehende – am Markt vorhandene – Lösungen übertrifft. Konzeptionell ist er ein Bundle für Produktivität und Interaktion.
Bei einem hybriden Produkt handelt es sich um eine Kombination von Sach- und Dienstleistungen, das eine Problemlösung anhand der individuellen Bedarfe der Kunden liefert. Bei der Entwicklung steht nicht das eigentliche Produkt im Vordergrund, sondern die Frage, wofür ein bestimmter Anwender – oder eine Gruppe von Anwendern – das Produkt benötigt und wie es eingesetzt werden kann.
Bezogen auf den Surface Hub stellt sich das wie folgt dar: Surface Hub kann sowohl als zentrales Element in Konferenzlösungen dienen – exemplarisch als Kommunikationslösung oder für Remote Collaboration – als auch als Whiteboard genutzt oder als Hilfsmittel für die Erarbeitung von Inhalten und zum Brainstorming eingesetzt werden. Ärzte können das Gerät bei der Konsultation mit Kollegen oder dem Dialog mit Patienten nutzen. Architekten können mit Bauträgern neue CAD-Zeichnungen und 3D-Umsetzungen validieren. Autoverkäufer und -käufer konfigurieren das Wunschauto und schauen es in einem 360°-Blickwinkel an. In großen Gebäuden oder Hotelkomplexen kann Surface Hub für die interaktive Kommunikation genutzt werden.
All das und noch vieles mehr wird durch die nahtlose Integration von Hardware, Software und Services ermöglicht. So sind einzelne Services, wie Skype, direkt in das Betriebssystem integriert. Dabei ist die Lösung simpel und intuitiv genug, um eine spontane Nutzung zu ermöglichen.
Die unterschiedlichen Nutzungsszenarien werden durch Applikationen realisiert. Dies können Applikationen sein, die dediziert für den Surface Hub entwickelt wurden, oder auch Windows-10-Universal-Apps.
Entwickler – respektive durch ISVs (Independent Software Vendor, also unabhängig Softwarehersteller) entwickelte Applikationen als integrierter externer Faktor – sind Bestandteil der Microsoft-Surface-Strategie und Erfolgsgarant. Sie sind Bestandteil des hybriden Wertschöpfungskonzepts des Surface Hub.
Tech Specs: Anschlüsse & Co.
Der Surface Hub ist ein integriertes System, das auf Windows 10 aufsetzt. Angeboten wird er in zwei Modellvarianten: 55 und 84 Zoll. Die „Arbeitsoberfläche“ ist mit dem belastungsfähigen Gorilla Glass 3 verarbeitet und daher besonders robust. Trotz des Alumosilikate-Spezialglases des Herstellers Corning haben die Geräte eine hohe Auflösung. Während die 84-Zoll-Version mit einem 4k-Bildschirm geliefert wird, begnügt sich das 55-Zoll-Gerät mit einer Auflösung von 1080 Pixeln.
Ein duales Webcam-Konzept ermöglicht den Benutzern, sich frei im Raum zu bewegen und trotzdem für alle Teilnehmer einer Videokonferenz im Sichtfeld zu bleiben; die integrierte Mikrofon-Technologie eliminiert Hintergrundgeräusche und soll für einen klaren Sound bei Konferenzschaltungen sorgen.
Als interaktives Whiteboard lässt sich der Surface Hub mit Multitouch bedienen. Die Oberfläche erkennt dabei bis zu 100 simultane Berührungen mit dem Stift oder Finger. Das System ist von Grund auf für die präzise Stift- und Touch-Bedienung auf einem Großbildschirm entwickelt worden. Durch die schnelle Aktualisierung der Anzeige, dies geschieht alle 8.33 Millisekunden, ist ein flüssiges und natürliches Schreiben – quasi wie auf Papier – möglich.
Das 55-Zoll-Modell arbeitet bei einem Seitenverhältnis von 16:9 mit einer Auflösung von 1920 x 1080 Bildpunkten. Angetrieben wird das Großbild-Device von einem Intel Core i5. Stolze 213,36 cm Diagonale, UHD-Auflösung von 3840 x 2160 Bildpunkten und die Rechenleistung eines Intel Core i7 bietet die 84-Zoll-Variante. Beide Modelle verfügen über eine SSD mit 128 GB und 8 GB Arbeitsspeicher. Die Geräte sind 100-Punkte-Multitouch-fähig. Zwei Eingabestifte zählen ebenso zum Lieferumfang wie eine Tastatur.
Unterschiede gibt es auch bei der Ausstattung der Anschlüsse. Das 84-Zoll-Modell verfügt über: 1 x USB 3.0, 4 x USB 2.0, Ethernet 1Gbps, DisplayPort Out, 3.5mm Stereo Out, RS232 Serial (RJ11), DisplayPort In, HDMI In, VGA In, 3.5mm Stereo In, 2 x USB Typ B. Im 55-Zoll-Modell sind verbaut: 1 x USB 3.0, 2 x USB 2.0, Ethernet 1Gbps, DisplayPort Out, 3.5mm Stereo Out, RS232 Serial (RJ11) sowie DisplayPort In, HDMI In, VGA In, 3.5mm Stereo In und 1 x USB Typ B.
Surface Hub – wer sollte die Lösung nutzen?
Verkäufer, Berater, Entwickler und Ingenieure, Teamleiter sowie Projektmanager, Ärzte, Architekten, Maler, Archäologen, Steuerberater, Chemiker, Verwaltungsangestellte, Redakteure, Reiseverkäufer, Juristen, und, und, und. Sie alle sollten Surface Hub nutzen. Besser gesagt, gibt es für alle Branchen, Berufsfelder und Professionen Lösungsszenarien, die die Vorteile einer realen Face-to-Face-Situation mit Mensch-Maschine-Interaktion und (Remote-)Kommunikation unterstützen.
Surface Hub ist relevant für Menschen, die sich im stetigen Austausch mit Kunden, Partnern und Kollegen befinden. Er bringt für Gruppen Vorteile, die gemeinsam Ideen erarbeiten, Daten oder Informationen visualisieren und kommunizieren.
Er ist für Unternehmen, die auf Interaktion, Meinungsaustausch und Kooperation setzen, das Werkzeug der Stunde. Also auch für Unternehmen, die ihre Mitarbeiter in die Lage versetzen, frei und kreativ miteinander zu arbeiten. Für diejenigen, die mit ihren Kunden den Dialog suchen oder ihre Kernleistung visualisieren wollen. Angesprochen sind insbesondere Unternehmen und Organisationen der Kreativ- und Wissensbranche, die eine intensive Zusammenarbeit zur Lösung komplexerer Probleme einfordern.
Während Lösungen wie Office zunächst für die individuelle Produktivität entwickelt und über die einzelnen Iterationen hin zu Office-Collaborations-Lösungen entwickelt wurden, ist der Surface Hub „per Design“ für Interaktion konzipiert.
Ob der Surface Hub die Art und Weise der Zusammenarbeit in Organisationen revolutioniert, eine Evolution darstellt oder nur eine Ergänzung, entscheidet die individuelle Umsetzung der Innovation im Unternehmen. Fest steht, dass auf die gewohnten Arbeitsweisen nicht verzichtet werden muss.
Fazit
Mit dem Surface Hub hat Microsoft das Rad nicht neu erfunden, es allerdings etwas runder gemacht. Durch die Kombination von Hardware, Software und Service gelingt es, ein „connected Device“ – ein mit dem Menschen und der Cloud verbundenes Gerät – bereitzustellen, das hilft, echte Interaktion zwischen Menschen zu unterstützen.
Aber dennoch: Die Hersteller von Whiteboards, Raumsystemen, Beamern oder Screens werden sich gegenüber dem Surface Hub – zumindest kurzfristig – einer uneinholbaren Technologie gegenüber sehen. Allerdings nicht nur die Technologie ist überlegen, sondern vielmehr die dahinterstehenden Denkmuster. Dieses Denkmuster beruht auf einem persönlicheren Einsatz von Computern, in einer mutmaßlichen Post-PC-Ära, einer neuen und erweiterten Definition von Produktivität und Prozessen sowie einer intelligenten Cloud-Plattform.
Surface Hub hat das Zeug, eine zentrale Schnittstelle für unternehmensinterne und unternehmensübergreifende Kollaboration und Kommunikation zu werden; auch mit Kunden. Gelingt dies, wird das Surface Hub ein wichtiges User Interface für Microsoft Cloud Services und Applikationen von Partnern. Microsoft hat erkannt, dass es nicht mehr ausreicht, Dinge schneller zu machen, größer zu gestalten oder zwingend billiger zu produzieren.
Durch das Credo „schneller, höher, weiter“ lassen sich weder Märkte entwickeln oder gewinnen noch Anwender begeistern; auch ein Mehrwert wird so nur selten generiert. Vielmehr verlangt die real existierende Dienstleistungsökonomie nachhaltige Innovations- und Wertschöpfungsformen, die das Zusammenwachsen von Produkten und Dienstleistungen zum sinnstiftenden Vorteil sowohl des Einzelnen als auch von Teams und Unternehmen ermöglicht.
Surface Hub ist erst der Anfang
Aufgrund des hohen Anteils an Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften, die mit Surface Hub durch Windows (10) oder den Microsoft-Office-Lösungen gegeben sind, wird auf Seiten des Anwenders unmittelbar bei Erstkontakt eine hohe Akzeptanz gegeben sein. Berührungsängste werden kaum vorhanden sein, die Einstiegsschwelle, bedingt durch bekanntes User-Interface, Authentifizierungsvorgänge und Lösungen, ist gering.
Durch Innovationen und Visionen im Dienstleistungsbereich, angefangen bei weiterentwickelten Managed-Conference-Services, über Universal-Apps bis hin zu individuell entwickelten Applikationen für die Geräte, kann der Nutzen nachhaltig gesteigert werden. Der Surface Hub schöpft sein volles Potenzial dann aus, wenn Enterprise-Technologien wie Exchange, Active Directory oder Skype integriert werden.
Das, was heute als Surface Hub verstanden wird, ist erst der Anfang. Das System lebt von Ideen und deren Umsetzungen. Egal, ob es sich hierbei um neue Formfaktoren, exemplarisch in der Größenklasse um die 30 oder 72 Zoll, handelt, oder um Applikationen für die Mensch-Maschine-Interaktion und Second-Screen-Szenarien.
Dieser Artikel stammt von Axel Oppermann. Der bekannte IT-Marktanalyst ist Gründer des Beratungs- und Analystenhauses Avispador sowie Mitherausgeber des MSFTbriefing, einem herstellerunabhängigen Branchendienst. Als IT-Analyst berät er Anwender und Anbieter bei Planung und Umsetzung ihrer IT-Strategien.
Quelle Bild: Flickr wiredforlego, CC BY-SA 2.0