Laut einer Bitkom-Umfrage begreifen 95 Prozent der deutschen Branchenunternehmen Industrie 4.0 als Chance für das eigene Geschäft. Zur Frage, was noch zu tun ist, hat der ITK-Branchenverband einen 10-Punkte-Forderungskatalog aufgestellt. Dieser legt offen, wo noch Herausforderungen liegen.
In China spricht man zwar von 工业4.0 (gōngyè sìdiǎnlíng), aber selbst in den USA hat sich noch lange Industrie 4.0 in der deutschen Schreibweise gehalten. Es ist eben ein urdeutsches Wortkonstrukt, das 2011 zur Eröffnung der Hannover Messe aufs Tapet gebracht wurde und dessen Ursprung im übrigen der Bundesregierung zugeschrieben wird. Gemeint ist – mit Eintritt der Digitalisierung und vernetzter Systeme – die vierte Welle der Industrialisierung. Die Entwicklung hat natürlich lange vorher schon eingesetzt, aber 2011 wurde sie zum neuen Manifest des 21. Jahrhunderts. Das Ziel sollte es laut Bitkom in einer Pressemitteilung sein, die industrielle Produktion digital zu verzahnen. 62 Prozent der Unternehmen in Deutschland würden heute schon entsprechende Anwendungen einsetzen.
„Industrie 4.0 gestaltet effizientere und nachhaltige Wertschöpfungsketten, bietet neue Geschäftsmodelle und schafft Arbeitsplätze in Deutschland“, erklärte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder und sieht „bedeutende Projekte wie Gaia-X und die Schaffung europäischer Datenräume“ als wichtige Grundlagen eines funktionierenden Ökosystems für Industrie 4.0. Gaia-X ist ein Projekt zum Aufbau einer leistungsstarken, sicheren und vertrauenswürdigen Dateninfrastruktur in Europa.
Wie Bitkom anmerkt, stufen sich trotz fortschreitender Verbreitung von Industrie 4.0 aktuell zwei Drittel aller Unternehmen (66 Prozent) als Nachzügler oder bereits abgehängt ein. Die neue Bundesregierung müsse daher in der kommenden Legislaturperiode (nach der Wahl am 26. September 2021) die digitale Transformation schneller voranbringen. „Das produzierende Gewerbe ist das Gerz der deutschen Wirtschaft und da müssen wir die Schlagzahl erhöhen“, heißt es in einer Bitkom-Pressemeldung zu 10 Jahren Industrie 4.0.
Als größte Herausforderungen auf dem Weg zu Industrie 4.0 sieht der Branchenverband laut einer Umfrage fehlende finanzielle Mittel (77 Prozent), gefolgt von Anforderungen an den Datenschutz (61 Prozent) und die IT-Sicherheit (57 Prozent) sowie den Fachkräftemangel (55 Prozent). Aber wie gesagt, begreifen 95 Prozent der Industrieunternehmen auch als Chance für das eigene Business.
„Die Entwicklung und der Einsatz solcher Lösungen sind daher ein Muss für eine erfolgreiche Digitalisierung des Standorts Deutschland“, so Rohleder. Schließlich sei Industrie 4.0 auch in anderen Anwendungsfeldern wie Mobilität, Gesundheit, Klima und Energie zu einem wichtigen strategischen Einflussfaktoren geworden und reiche die Bedeutung über das produzierende Gewerbe längst hinaus.
Der von Bitkom aufgestellte 10-Punkteforderungskatalog umfasst unter anderem bessere steuerliche Rahmenbedingungen für Investitionen in 4.0, die Stärkung der steuerlichen R&D-Förderung, ein Investitionswettbewerb zur CO2-Reduzierung, eine rechtssichere Anonymisierung und Pseudonymisierung personenbezogener Daten, den sicheren Datenaustausch, Kompetenzentwicklung und Beratungsgutscheine für Industrie 4.0, eine stärkere Ausrichtung der Verbundforschung auf Anwendungen innovativer Technologien, die Fortführung der Plattform Industrie 4.0, die Stärkung der Marke Industrie 4.0 auf europäischer Ebene und den Infrastrukturausbau.
Gerade die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie sehr die Wirtschaft auf funktionierende Telekommunikationsnetze angewiesen sei. Für die flächendeckende Abdeckung mit Datenübertragungsraten im Gigabit-Bereich und Echtzeitreaktionsfähigkeit müsse der Ausbau mit 5G- und Glasfasernetzen deutlich ausgebaut werden.
Zur Bewertung, wie sich Deutschland in Bezug auf Industrie 4.0 in den letzten 10 Jahren gemacht hat gibt es im übrigen unterschiedliche Positionen. Während viele Unternehmerverbände zu wenig Zug in der Sache seitens der Politik kritisieren, gibt es auch viele positive Stimmen, wie etwa hier ein Beitrag vom Handelsblatt zeigt.
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