14 Juli 2017

Hassparolen in sozialen Netzwerken, öffentliche Volkshetze oder digitale Diffamierung – der deutsche Bundestag will mit dem verabschiedeten Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) härter durchgreifen und kassiert mit diesem Gesetzesentwurf heftige Kritik.

Das neue Gesetz soll die Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken verbessern und Unternehmen wie Facebook zur Löschung objektiv strafbarer Inhalte, „wie etwa Volksverhetzung, Beleidigung, Verleumdung oder Störung des öffentlichen Friedens durch Vortäuschen von Straftaten“, zwingen. Kritische Stimmen sehen im NetzDG eine Bedrohung der Meinungsfreiheit.

Auch Facebook hat das Gesetz kritisiert und bezeichnet es als „ungeeignet“, um die Verbreitung von Hassreden und gefälschten Nachrichten im Internet einzudämmen. „Der Rechtsstaat darf die eigenen Versäumnisse und die Verantwortung nicht auf private Unternehmen abwälzen“, kommentiert Facebook. „Die Verhinderung und Bekämpfung von Hate Speech und Falschmeldungen ist eine öffentliche Aufgabe, der sich der Staat nicht entziehen darf.“ Zudem warnt das Unternehmen vor einem „nationalen Alleingang“ und fordert eine europäische Lösung.

Auch die Erfüllung der geplanten gesetzlichen Vorgaben soll dem Unternehmen einen erheblichen finanziellen Schaden zufügen. Facebook hält dem Bericht zufolge eine Studie des Branchenverbands Bitkom, wonach auf Social Networks wie Facebook zusätzliche Kosten von 530 Millionen Euro pro Jahr zukommen, für „realistisch“.

Experten sehen die Meinungsfreiheit gefährdet

UN-Sonderberichterstatter David Kaye hat in einem veröffentlichten Schreiben (PDF) erhebliche Bedenken gegen das in Deutschland geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) formuliert. Aus einem durchgesickerten Gutachten geht außerdem hervor, dass selbst der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags den kontroversen Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas für unvereinbar mit europäischem Recht hält.

Die Gesetzesvorlage ist äußerst problematisch, was Meinungsfreiheit und das Recht auf Online-Privatsphäre angeht, meint der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen. Der Staat wolle damit zwar legitime Interessen und Verantwortlichkeit durchsetzen, setze hier aber auf fragliche Mittel. Die Verpflichtung privater Unternehmen zur Regulierung und Löschung von Inhalten gefährde die Meinungsfreiheit. Zu vage und auslegbar seien die Verbotsgründe formuliert mit Kriterien wie „Beleidigung“ oder „Diffamierung“. Aufgeführt seien auch weniger schutzbedürftige Verstöße, und es komme bei ihnen vielfach auf den Kontext an, den die fraglichen Plattformen gar nicht erfassen könnten.

Netzwerkdurchsetzungsgesetz: Gefahr zu einer Überregulierung

Die kurzen Fristen von 24 Stunden und 7 Tagen in Kombination mit hohen angedrohten Bußgeldern sorgen laut David Kaye für die Gefahr, dass die Social-Media-Unternehmen zu einer Überregulierung gedrängt werden. „Eine solche vorauseilende Zensur würde gegen das Recht verstoßen, im Internet Informationen jeglicher Art zu suchen, zu erhalten und weiterzugeben“, schreibt er. Gleichzeitig bemängelt der UN-Beauftragte eine fehlende gerichtliche Aufsicht. Ähnliche Kritikpunkte führt eine gutachterliche Stellungnahme für den OSZE-Beauftragten für die Freiheit der Medien an.

Social-Media-Firmen löschen bereits oft Inhalte oder zeigen sie nicht in Deutschland, was in Einzelfällen immer wieder umstritten ist. Anders als die deutsche Bundesregierung setzt die Europäische Kommission dabei auf eine Selbstverpflichtung, die Facebook, GoogleMicrosoft und Twitter vor einem Jahr eingingen und damit die EU-Vorgaben zu Online-Hetze akzeptierten. Nach einer kürzlichen Evaluierung hat sich der Prozentsatz von Löschungen innerhalb von sechs Monaten verdoppelt. Demnach werden heute 59 Prozent gemeldeter Hass-Postings gelöscht.

 

Dieser Beitrag basiert in Teilen auf einem Artikel unseres Partnermagazins Übergizmo

Quelle Titelbild: iStock / the-lightwriter