17 Dezember 2019

Autor: Tibor Kosche, Experte Datenmigration und Vice President M.A.R.S.,
T-Systems Schweiz

Eine Datenmigration ist bei einem Systemwechsel, Veränderungen in der Unternehmensstruktur oder einem Gang in die Cloud erforderlich. Sinnvoll ist es dabei, nur die Daten zu übernehmen, die auf der neuen Plattform auch produktiv genutzt werden. Häufig ist die Datenhistorisierung einer der größten Stolpersteine bei der Modernisierung einer Software oder einer IT-Landschaft. Daher stellt sich die Frage: Was ist zu beachten – besonders im Hinblick auf die anstehenden Migrationswelle hin zu SAP S/4HANA?

Die Geschichte eines Unternehmens zieht Giga- und Terrabytes an Daten mit sich, die vielerorts gelagert werden. Häufig wird nur ein Bruchteil dieser vorhandenen Daten operativ genutzt. Aber dennoch müssen Altdaten aufbewahrt und archiviert werden, denn regulatorische Vorgaben zwingen dazu. Es kann auch sein, dass historische Daten aus (prozess-)technischen Gründen nachvollzogen werden müssen. Meist wird auch beim Umstieg von On-Premise auf die Cloud bzw. Software as a Service im Greenfield-Ansatz nur mit den notwendigsten Daten gestartet, und auch in diesem Fall muss der Zugriff auf die historischen Daten gewährleistet bleiben.

Der Betrieb von Altsystemen, in denen diese historischen Daten lagern, ist erfahrungsgemäß sehr kostenintensiv und risikobehaftet. Wird die durchschnittliche tägliche Nutzungszeit des datenhaltenden Systems ins Verhältnis zu den Kosten gesetzt, wird klar, dass Altdaten beträchtlichen Aufwand erzeugen. Denn es geht nur noch um die Daten und nicht um die ausgedienten Funktionen des Altsystems, das meist veraltet ist und nur schwer mit modernen Anforderungen in Einklang gebracht werden kann.

Hohe OPEX-Kosten

So werden hohe OPEX (Operational Expenditure – operative Ausgaben) Kosten durch Altsysteme fällig. Manche Legacy-Systeme werden nur noch für den Fall vorgehalten, wenn die darin gespeicherten Daten bei ad-hoc-Anfragen ausgelesen werden müssen. Übersehen wird, wie teuer der aktuelle Betrieb in Wirklichkeit ist. Oft hängen daran kostspielige Wartungsverträge für den Lösungs- und / oder Softwareanbieter. Denn dieser hat ein System mit vielen Funktionen verkauft, und auch wenn diese nicht mehr genutzt werden, müssen diese funktionsfähig bleiben, also gewartet werden. Teilweise muss Personal mit dem spezifischen Know-how für den Betrieb der Applikation vorgehalten werden, wenn dieses nicht schon längst aus dem Betrieb ausgeschieden ist.

Historisierung mit System

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Nachdem komplexe Systemlandschaften aufgeräumt und die Daten übertragen sind, können die Altsysteme vollständig stillgelegt werden. (Quelle: iStock / skynesher)

Die Historisierung von Daten kann hier Abhilfe schaffen, indem komplexe Systemlandschaften aufgeräumt und modernisiert werden. Ein standardisiertes, methodisches Vorgehen mit absichernden Services, und ein hochsicherer Cloud-Betrieb garantieren langfristige Datenverfügbarkeit und Kosteneinsparungen für das „Retirement“ der Daten. Dabei wird der Altdatenstand vollständig übertragen und gesichert. Anschließend kann das Altsystem stillgelegt werden.

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Datenstrategie erforderlich

Dafür ist eine Datenstrategie erforderlich, in der für jede Datenkategorie bzw. jeden Systemtyp die relevanten Anforderungen hinsichtlich Business, gesetzlichen Vorgaben und Kosten aufgeführt werden. So wird eine Archivierungsstrategie für das Unternehmen entwickelt, in der klar festgelegt ist, wie mit welchen Daten und Systemen im Bereich der Historisierung zu verfahren ist. Eine entsprechende Richtlinie ermöglicht es, die Historisierungskosten schon bei einer geplanten Systemumstellung oder Systemmigration einzuplanen und dies in die Gesamtkostenschätzung der Neuimplementierung, inklusive der Altsystemabschaltung, einfließen zu lassen.

Dedizierte Plattformen schaffen und betreiben

Um die Daten zu historisieren und den Betrieb des Altsystems vollständig einzustellen, werden die Altdaten in eine Historisierungsplattform überführt, die völlig unabhängig von der Technologie des Quellsystems ist.

Die zugrunde liegende Methode erfordert die folgenden Schritte:

  1. Übernahme aller Daten in die Historisierungsplattform
  2. Erstellen von Views / Sichten auf die Daten in der Historisierungsplattform
  3. Validierung, gegebenenfalls Zertifizierung durch einen Wirtschaftsprüfer
  4. Test, ob die Daten im Bedarfsfall verfügbar sind
  5. Abschaltung des Altsystems

Der Betrieb einer Historisierungsplattform kann entweder eigenständig oder durch einen IT-Betreiber zum Beispiel als Cloud-Lösung erfolgen. Letzteres ist attraktiver, weil auf die historisierten Daten nicht häufig zugegriffen wird und die Cloud-Anbieter eine Verrechnung auf Basis der tatsächlichen Nutzung anbieten. Außerdem nimmt eine solche Historisierungsplattform Daten unterschiedlichster Systeme entgegen.

Hohe Synergien

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Die Daten sind komfortabel auf einer Plattform zu finden. Das danken Ihnen nicht nur Ihre Mitarbeiter – Sie merken es auch an einer nachhaltigen Kostenreduktion. (Quelle: iStock / fizkes)

Somit entstehen hohe Synergien, falls nicht nur ein, sondern mehrere Altsysteme abgeschaltet werden sollen. Eine Historisierungsplattform ist genau für den Zweck konzipiert, Daten über Jahrzehnte vorzuhalten. Die Applikations- und Datenbankschicht ist von der Hardware entkoppelt, als Softwarekomponente wird auf weit verbreitete Open-Source-Produkte gesetzt. An die Stelle von verschiedenen Altsystemen tritt eine einzige Plattform, so dass auch nur noch Kosten für deren Betrieb und Wartung anfallen. Hinzu kommt, dass auf einer einzigen Plattform auch die Suche und Wiederauffindbarkeit von Daten optimaler ist als auf unzähligen Altsystemen. Bedieneroberfläche, Zugänge und Recherchetools sind einheitlich, egal um welche Art von Daten es sich handelt.

Häufig wird in Unternehmen das Aufräumen der Datenbestände nur mit geringer Priorität verfolgt. Dennoch bietet Proaktivität zwei entscheidende Vorteile: eine deutliche und nachhaltige Kostenreduktion sowie die Gewissheit, mit einem gut aufgeräumten Datenbestand auf ein neues System zu migrieren, während der Zugriff auf die Altdaten gesetzeskonform und komfortabel gelöst ist.

Für die anstehende SAP-Migrationswelle gerüstet sein

Weil der Support der SAP Business Suite ausläuft und deshalb der Wechsel auf SAP S/4HANA bis zum Jahr 2025 unabdingbar wird, steht eine ungeheure Datenmigrationswelle in den Unternehmen an. Die neue SAP-Plattform bietet tatsächlich gegenüber der Vorgängervision erhebliche Vorteile, weil alles sehr viel schneller abläuft. Das gilt nicht nur in Hinblick auf die Funktionalitäten, sondern auch darin, was neu mit den Daten bewerkstelligt werden kann – Stichworte Echtzeitdatenverarbeitung, Big Data & Analytics und Co. All dies überwiegt den üblichen Grundsatz „never change a running system“.

Konsolidierung und Vereinheitlichung

Im Zuge der mit der Einführung von SAP S/4HANA einhergehenden Konsolidierung und Vereinheitlichung werden Unmengen von Daten zwar nicht überflüssig, aber zumindest redundant und damit unproduktiv. In vielen Unternehmen können so unzählige Applikationen stillgelegt werden, deren Daten gleichwohl noch revisionssicher abgelegt werden müssen.

Im Vergleich zur Archivierung, bei der ausgewählte Datensätze so ausgelagert werden, dass nur noch im Bedarfsfall darauf zurückgegriffen werden kann, führt die Historisierung die Daten auf einer moderneren, kostengünstigeren Plattform zusammen. Bei der Archivierung besteht die Gefahr, dass es noch während der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen schwierig bis unmöglich, in jedem Fall aber teuer und aufwändig wird, die Geräte, die fürs Abspielen nötig sind, über diesen Zeitraum zu warten oder schlimmstenfalls überhaupt noch zu finden und in Betrieb nehmen zu können. Daten, die in einem Archiv liegen, sind zudem nur über die originäre Quellapplikation zugänglich. Historisierung hingegen hat zum Ziel, die post-produktiven Altsysteme abzuschalten und alle relevanten Daten gemäß ihrer Datenlogik auf einer modernen Plattform zu konsolidieren. Aufgrund der nicht archivierten Applikationslogik können archivierte Daten und Informationen nicht wie in der bisher gewohnten Systemumgebung dargestellt werden.

Logik übernehmen

Bei der Historisierung wird die Logik der von den Applikationen getrennten Altdaten in der neuen Plattform übernommen. Insbesondere mit der Volltext-Datenbank-Suche, wie sie SAP S/4HANA über eine Private oder Public Cloud bietet, ist es somit möglich, jederzeit auf die Altdaten oder -datensätze zuzugreifen. Der Zugriff auf die nunmehr unveränderbaren Daten funktioniert wie gewohnt intuitiv und schnell. Berechtigte Anwender können die Daten nach unterschiedlichsten Kriterien visualisieren, aber auch Auswertungen und Reports erstellen.

Eine umfassende Historisierung im Zuge eines Systemwechsels auf die neue SAP-Plattform ist ein eigenständiges Projekt, an das standardisiert und mit erprobter methodischer Vorgehensweise herangegangen werden sollte. Zur Sicherstellung des Überführungserfolgs empfiehlt es sich, die Historisierung mit entsprechendem Projekt-, Risiko-, Compliance-, Qualitäts- und Change-Management zu begleiten. 

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Quelle Titelbild: iStock / PeopleImages