24 Oktober 2024

Rund 1.000 Partner, Distributoren und Hersteller aus ganz EMEA sind der Einladung von Canalys nach Berlin gefolgt. Die Analyst:innen des Marktforschungsinstituts haben sich dort mit ihren Prognosen zum Teil weit aus dem Fenster gelehnt.

Wie der Name Canalys andeutet, hat sich das 1998 gegründete Unternehmen auf Channel-Marktforschung spezialisiert. Vom 8. bis 10. Oktober fand das Canalys Forum EMEA 2024 diesmal in Berlin statt. Das Nordamerika-Forum in Miami schließt sich am 22. Oktober an, das APAC-Forum auf Bali Anfang Dezember.

In Berlin wartete das Unternehmen laut ChannelPartner nicht nur mit „harten Fakten“, sondern auch mit einigen gewagten Prognosen auf. Die rund 1.000 Delegierten aus der EMEA-Region waren ganz Ohr. Viele von ihnen pilgerten zu den zahlreichen Vorträge, Podiumsdiskussionen und Sessions, zu denen das Analystenhaus mit Sitz in Singapur eingeladen hatte.

Prognosen über Prognosen

Wer demnächst im Weißen Haus sitzen wird, das wollte und konnte die Canalys-Vizepräsidentin Rachel Lashford nicht sagen, aber sie hat auf dem EMEA Forum in Berlin unter anderem folgende, zum Teil gewagte, Vorhersagen für die kommenden drei Jahre getroffen:

  • Die weltweiten IT-Ausgaben werden dann 6,3 Billionen US-Dollar erreichen.

  • Über 20.000 humanoide Roboter werden bald die weltweite Arbeitnehmerschaft verstärken.

  • Intel wird sich von der eigenen Chip-Produktion trennen und ganz auf Design konzentrieren.

  • Die Bio-Tech-Branche wird zum größten Wachstumsmotor und die IT-Wirtschaft überholen.

  • Hyperscaler wie AWS werden bald mehr als die Hälfte aller GPUs einsetzen.

  • Der ausgebliebene Crypto-Boom wird Cloud-Service-Provider aus dem Bereich GPU-as-a-Service unter die Top 5 bringen.

  • Da der Strombedarf insgesamt wächst, werden die EU-Regulierungsbehörden die Obergrenze für den Verbrauch von Rechenzentren auf fünf Prozent drosseln.

Andere wie Chief Analyst Alastair Edwards haben auch die weniger sonnigen Seiten des europäischen Channels verbreitet. So leiden ihrer Meinung nach nicht nur die deutschen IT-Dienstleister und Systemhäuser, sondern die ganze EMEA. Ihre Umsätze sollen um etwa ein Prozent sinken, die der Distributoren (IT-Großhändler) sogar um vier Prozent. „Das ist die schlechteste Performance seit Jahren“, zitiert ChannelPartner den Chefanalysten Edwards. Ihm zufolge gibt es aber auch Hoffnungsschimmer im zweiten Quartal 2024. In Bereichen wie IT-Infrastruktur, Software und Cybersecurity rechnet er mit Umsatzzuwächsen von rund vier Prozent, die sich bei der Distribution auch mit drei Prozent niederschlagen sollen.

Nur Tech-Konzerne profitieren vom KI-Boom

Was den KI-Boom angeht, sagte Canalys-Mitgründer Steve Brazier, dass davon vor allem die Tech-Konzerne profitieren. „Der Channel hat daran nur wenig Anteil.“ Von den Milliardeninvestitionen fließe die Hälfte allein an Nvidia. Deswegen die KI-Flinte gleich ins Korn zu werfen, hält er für Channel-Teilnehmer aber nicht für ratsam: „Wer heute keine KI nutzt, sollte langsam über seine Pensionierung nachdenken“, so Brazier.

Insgesamt sieht er die Branche am Wendepunkt und sagt: „Der Hardware-Markt wächst nicht mehr.“ Die Zeiten, dass darauf Verlass ist, seien vorbei, obwohl das Replacement-Geschäft ihm zufolge weitergehen wird. Die größten Chancen für IT-Dienstleister und den Handel sieht er im Bereich Cybersecurity.

Bedenklich findet Brazier die alternde Gesellschaft in Europa, die sich auch negativ auf das Wachstum auswirken kann. „Nordeuropa ist ja mittlerweile ein Weltmuseum“, so seine harschen Worte. Immigration könnte wieder Wachstumsimpulse bringen, sei aber angesichts der allgemeinen politischen Lage eher ein schwieriges Thema.

 

 

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