6 Juni 2025

Moderne Technologien wie Künstliche Intelligenz werden häufig durch fragmentierte Unternehmensstrukturen daran gehindert, ihr volles Potenzial zu entfalten. Die Ursache hierfür liegt oft schon in der Infrastruktur – beispielsweise der unterschätzten Wechselwirkung zwischen KI und Cloud. Das berichtet Kiran Minnasandram, Vice President Technology Transformation & Advisory Group bei Wipro.

Der aktuelle Pulse of Cloud Bericht des internationalen IT-Beratungsunternehmens Wipro zeigt, dass lediglich 14 Prozent der befragten Unternehmen in Deutschland eine umfangreiche Industry Cloud-Strategie verfolgen. Diese fragmentierte Struktur überträgt sich auch auf die darauf basierenden KI-Anwendungen und hindert schließlich beide Technologien daran, zu ihrer vollen Leistungsfähigkeit aufzulaufen.

In Cloud oder KI investieren?

Die Budgets für Technologie-Ausgaben sind in Unternehmen häufig stark umkämpft und nicht selten muss deren Nutzen gegeneinander abgewogen werden. Es kann sich aber herausstellen, dass, wie im Fall von Cloud und Künstlicher Intelligenz (KI) gerade die Mischung den Erfolg ausmacht – denn die Leistungsfähigkeit (unter anderem) dieser beiden Technologien ist eng miteinander verzahnt: KI läuft dann zu Hochform auf, wenn sie auf einer skalierbaren und interoperablen Cloud-Umgebung fußt.

Cloud oder KI? Für viele Unternehmen kann es zielführend sein, die positiven Wechselwirkungen der Technologien zu bedenken und zu optimieren. (Quelle: Getty Images)

Letztere kann wiederum durch Automatisierung, eine nahtlose Echtzeitdatenanalyse und starke Rechenleistung potenziert werden – sodass Verbesserungen bei einer Technologie auch jeweils die andere stärken. Bei Cloud und KI sollte also nicht die Frage sein „entweder … oder …“, sondern eine gute Abstimmung im Sinne einer einheitlichen Technologie-Strategie stattfinden.

Denn in vielen Fällen liegen Ineffizienzen nicht in der Softwareanwendung selbst begründet, sondern in deren fragmentiertem Einsatz. Die Wipro Umfrage unter 500 Führungskräften in Nordamerika, dem Vereinigten Königreich, Deutschland, Frankreich und der Schweiz hat ergeben, dass in gut drei Viertel (76 Prozent) der befragten Unternehmen bereits Cloud-Lösungen zum Einsatz kommen; bei Künstlicher Intelligenz sind es 54 Prozent. Schaut man aber genauer hin, wo diese einer firmenweit einheitlichen Cloud-Strategie folgen, ist es unter den untersuchten Unternehmen aus den Bereichen Informationstechnologie, Finanzen und Produktionswirtschaft mit zehn Prozent (insgesamt) nur noch ein Bruchteil – in Deutschland ist es mit 14 Prozent nur etwa ein Siebtel.

Auf diese Weise bleiben viele Potenziale unerkannt oder werden unterschätzt. Ineffizienzen entstehen, wo diese eigentlich durch fortschrittliche Technologien behoben werden sollten. Fragmentierte Ansätze verhindern außerdem eine flexible Skalierung sowie die Datenintegration und Sicherheitsaspekte. Je nach Unternehmensanforderungen kann es deshalb Sinn ergeben, diese Herausforderungen über eine einheitliche Industry Cloud-Lösung (vs. einer generischen Version) anzugehen.

Wann sich eine Industry Cloud lohnt

Neben den bekannten Vorteilen einer Cloud-basierten Infrastruktur bieten sogenannte Industry Cloud-Lösungen Antworten auf branchenspezifische Herausforderungen, indem maßgeschneiderte Systeme aufgesetzt werden. Diese können außerdem sektorspezifische regulatorische Compliance vereinfachen und, je nach Konfiguration, erweiterte Analyse-Möglichkeiten bieten. Die Schnittstellen mit all diesen Aspekten haben die Frage nach einer Implementierung branchenspezifischer Cloud-Lösungen von einer rein technologischen zu einer geschäftsstrategischen Überlegung gemacht.

Besonders in Sektoren mit sehr spezifischen Datenschutz- und Regulierungsanforderungen kann der Einsatz einer branchenspezifischen Cloud-Lösung sinnvoll sein. (Quelle iStock)

Die Erwägung „Industry Cloud oder nicht?“ ergibt beispielsweise für Unternehmen Sinn, die KI im großen Umfang einsetzen wollen und Bedarf nach flexibler Skalierung haben. Betrachtet man verschiedene Branchen, so sind es in besonderem Maße stark regulierte Bereiche wie der Finanzsektor, in denen Standards wie PCI DSS mit Blick auf Kreditkartentransaktionen oder SOX in der unternehmerischen Finanzberichterstattung eingehalten werden müssen, und der Gesundheitssektor (beispielsweise HIPAA und DSGVO zum Schutz von Patientendaten) sowie das verarbeitende Gewerbe, in denen das Aufsetzen einer hochgradig spezifischen und anpassbaren Infrastruktur Sinn ergeben kann. In dieser Hinsicht sind branchenspezifische Cloud-Lösungen oft bereits mit entsprechenden Funktionen zur Kontrolle, Zertifizierung und Audit vorkonfiguriert. Diese sind auf die jeweiligen Vorschriften zugeschnitten und können deren Einhaltung erheblich vereinfachen, Risiken reduzieren und betriebsinterne Wartungskosten solcher Systeme reduzieren.

Viele Sektoren verfügen über einzigartige operative Prozesse, Datenstrukturen und Analyseanforderungen. Branchenspezifische Cloud-Lösungen bieten in vielen Fällen bereits vorgefertigte Anwendungen, Workflows, Datenmodelle, APIs und Analysetools, die speziell auf diese vertikalen Anforderungen zugeschnitten sind (zum Beispiel Patientenmanagement im Gesundheitswesen, Schadensregulierung in der Versicherungsbranche, Optimierung der Lieferkette in der Fertigung).

Sorgfaltspflichten mitdenken

Eine reibungslose Datenmigration und ausreichende Sicherheitsmaßnahmen stehen bei Unternehmen ganz oben auf der Liste der Bedenken, die gegen eine Cloud- beziehungsweise Industry Cloud-Implementierung sprechen könnten. Einmal implementiert erhöht eine durchdachte Kombination aus Cloud- und KI-Anwendungen jedoch die Sicherheit und erleichtert regulatorische Konformitätsprüfungen – durch eine nahtlose, bessere Verfügbarkeit der nötigen Daten und dem daraus folgenden Selbstbewusstsein, in den entsprechenden Aspekten regelkonform aufgestellt zu sein.

Um dorthin zu gelangen, ist beispielsweise ein stufenweiser Ansatz möglich, um Risiken zu kontrollieren und einen reibungslosen Übergang in die Cloud zu gewährleisten. Außerdem können Kundinnen und Kunden für mehr Agilität On-Premise-Architekturen mit flexibel zusammenstellbaren Cloud-Lösungen kombinieren.

Eine Kombination aus KI-basierter Überwachung auf verdächtige Verhaltensmuster sowie Sicherheitskontrollen, die eine besondere Sensibilität hinsichtlich branchenspezifischer Cyberangriffe aufweisen, sorgt bei der Industry Cloud per se für einen hohen Sicherheitsstandard. Zusätzlich bedarf es jedoch der Aufstellung solider, unternehmensweit gültiger AI Governance Regelwerke, um Transparenz und Compliance sicherzustellen. Außerdem ist auch eine robuste Cloud-Strategie keine Aufgabe, die einfach „abgehakt“ werden kann – Unternehmen sollten zu einem Ansatz der kontinuierlichen Optimierung und des Lernens bereit sein, um den langfristigen Erfolg des Projektes zu ermöglichen.

Unternehmen, bei denen die Einführung einer branchenspezifischen Cloud infrage kommt, sollten diese frühzeitig in Erwägung ziehen, um die Technologie mit entsprechendem Vorlauf zu größtmöglicher technischer Reife ausbauen zu können. Auch hier ist es empfehlenswert, diesen Weg nicht alleine zu gehen, sondern sich ein Industry Cloud-Ökosystem aufzubauen und beispielsweise Partner oder Start-ups zu involvieren sowie mit Regulierungsbehörden zusammenzuarbeiten.

 

 

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